Going Somewhere

One of those days
November 19th 2016

Es ist einer dieser Tage, mit denen man vorher nicht wirklich rechnet — wer hätte gedacht, dass wir uns bei gefühlten 3° nachts auf dem Han rumtreiben?
Unser Gastgeber in Hongdae, Jae Won, hat uns nämlich zum Segeln eingeladen.
Mit 4 bzw. 5 Schichten Kleidung übereinander fahren wir zum Seoul Marina am Han River, wo wir die zwei Freunde von Jae Won treffen, die heute auch mit dabei sind. Normalerweise veranstaltet er diese Trips für Touristen, für heute haben aber alle abgesagt und wir sind zu fünft alleine auf dem Boot.
Die dritte Jacke blieb vorerst als Reserve im Rucksack.
A person in a life jacket sitting on the side of a sailboat on a river running through an evening cityscape
Man sticht in See
Bei Sonnenuntergang geht's raus auf den Fluss und vorbei an der beleuchteten Skyline — ziemlich beeindruckend. Draußen auf dem Wasser sind wir fast die einzigen: Bis auf ein oder zwei beleuchtete Sightseeingschiffe kommt uns in den etwa zwei Stunden kein Mensch entgegen — etwas surreal, wenn wir bedenken, dass wir uns gerade in der Mitte einer 10 Millionenstadt befinden.
Wir bekommen auf der Fahrt auch erklärt, dass Gangnam sowas wie südlich des Flusses, und Gangbuk nördlich des Flusses heißt. Quasi Hibbdebach und Dribbdebach auf Koreanisch.
Silhouette of a person on a sailboat with lit-up city buildings on the riverbank in the distance
Ausblick vom Boot
Wir unterhalten uns mit Jae Won und seinen Freunden und stellen fest, dass wir es unter anderem mit dem Gitarristen von No Reply, einer koreanischen Indieband (Schon mal gehört?), zu tun haben. Außerdem ist unser Host anscheinend auch mehr oder weniger bekannt in Korea — er schreibt, ist ab und an in Radioshows mit dabei und ist nebenbei noch irgendwie ins Showbusiness verstrickt.
Ji-Young ist zwar keine VIP, dafür aber Englischlehrerin, was uns fast noch besser gelegen kommt. Die drei sind alle super nett und nehmen uns danach noch zum Abendessen in einen ausrangierten Kleinbus vor einem Restaurant mit, in dem wir Ramen auf einem Gasbrenner kochen und Hühnchen serviert bekommen — definitiv ein Erlebnis.
Und weil wir gerade so schön in der Runde sitzen, bekommt natürlich auch jeder eine Frage aus unserem Buch:

Yi-Young wählt die schwierige Frage #999 "Wie sieht dein Leben in 10 Jahren aus?" und liefert die tiefgründige Antwort, sie wolle helfen, durch Bildung die Schere zwischen arm und reich zu verkleinern. Außerdem zieht es sie nach langem Aufenthalt in Hong Kong, China und Indonesien jetzt nach Europa.

Jae Won bekommt einen ähnlich anspruchsvolle Frage: Nummer #113 — "Gibt es in deinem Leben etwas, das du nicht richtig abgeschlossen hast?" Ja, nämlich seine momentane experimentelle Lebensphase. Nachdem er seinen Job in der K-Pop Industrie gekündigt hat und jetzt sein Apartment vermietet, schreibt und Radio macht, soll als nächstes ein Hostel in Seoul eröffnet werden.

Mr. No Reply*, dessen Namen ich mir leider (wie so oft) nicht merken konnte, wählt die einfachere Frage #77: Aus "Was für eine Art von Humor hast du?" wird während der Übersetzung irgendwie "Was bringt dich zum lachen?", aber der Unterschied ist ja nicht so groß. Die Antwort "Wenn Ji-Young ins Fitnessstudio geht" verwundert uns aber trotzdem.

*Wook Jae, I'm sorry

Please select an artwork you wish to appreciate

Am Tag danach gibt's die volle Ladung moderne Kunst: Zuerst besuchen wir das MMCA Seoul, das eine wirklich sehenswerte Dauerausstellung inklusive raumfüllender Großinstallationen in der "Seoul Box" und dem interaktiven "Archive of Mind", in dem wir eine Tonkugel formen und zum Kunstwerk beisteuern können, zu bieten hat.
A man and a woman in traditional Korean clothing walking down a side walk arm-in-arm
Auf dem Weg ins Museum
Darauf folgt nach kurzem Abstecher in die Gallery Hyundai, deren monochrome Leinwände nicht so fesselnd sind, das Leeum Museum of Art.
A sculpture of large, reflective metal balls stacked on top of each other
Memories of the future
Im Samsung-gesponsorten Museum bekommen wir erstmal Smartphones als Audioguides in die Hand gedrückt, die uns auf magische Weise immer den Text zu dem Kunstwerk vorlesen vor dem wir gerade stehen. Was auf Dauer etwas nervig wird, wenn man ständig über Kopfhörer gefragt wird, welches Kunstwerk man denn betrachten wolle. Auch hier gibt es, zusammen mit weniger interessanten Tontöpfen, ein großes Spektrum moderner und zeitgenössischer Kunst zu sehen.
Dieser Tag voller moderner Kunst wird sich für immer in mein Gedächtnis einbrennen... Spaß beiseite, es gab auch manche Sachen, die echt sehr cool und interessant waren!
Museum visitors with transparent umbrellas looking at an indoor rainbow created from mist and light
The parliament of possibilities