Going Somewhere

Den Überblick behalten
November 22nd 2016

Den 20. ging Lenz durch's Gebirg*

Heute soll's in den Bukhansan National Park gehen — ein bisschen die Natur anschauen und entspannt rumlaufen, soweit der Plan.
Von der Bahnstation aus laufen wir zum Eingang durch einen der äußeren Bezirke Seouls, in dem man sich schon fast wie in einer Kleinstadt fühlt. Immer wieder kommen uns ältere Einheimische mit Wanderschuhen, Stöcken, Rucksäcken und Funktionsjacken entgegen und wir realisieren langsam, dass das kein so entspannter Rundgang wird, wie wir dachten. Egal. Wir schaffen das auch in ausgelatschten Turnschuhen.
Wir machen uns also auf zum ersten Gipfel, den wir ausgeschildert sehen. Der Weg ist steil und felsig, aber wunderschön und abwechslungsreich — die Aussicht ist hier schon klasse.
A sparse pine forest with the sun setting in the background sending rays of light towards the camera
Nadelwald auf dem Weg vom Gipfel
Bevor wir am gerade mal 370 Meter hohen Gipfel ankommen werden wir noch von ein paar Koreanern angesprochen und merken, dass wir doch nicht so viel Koreanisch verstehen, wie wir gerne würden — ich kann aber immerhin mein Alter kommunizieren. Zahlen lernen hat sich also gelohnt.
A lone tree growing out from smooth rocks in front of a clear, deep blue sky
Bergvegetation
Der Gipfel ist, mit einem Wort, amazing. Hier hat man wirklich eine 360° Aussicht über Seoul, das sich wie ein riesiger See durch die Täler zieht. Auf den Felsspitzen steht man über allem und guckt auch ganz schön weit in die Tiefe — Jan folgt mir nur zögerlich.
A man standing on a rock formation looking at the city below the mountain
Dahinter geht's steil bergab
Die Fotos können die Perspektive da oben leider nicht wirklich wiedergeben — das Gefühl, auf dem Felsen über dem Abgrund zu stehen, ist einfach atemberaubend.
Panorama showing a smooth, rocky mountaintop with some people and a cellphone tower in the center
Ein Überblick
Vielleicht kann unser neuer V-Log ja einen besseren Einblick geben:


A white pigeon peeking its head out from behind a stone ridge
Fotogenes Federtier

*Damit dieser unglaubliche intertextuelle Bezug auch richtig wertgeschätzt wird: Wir sind wirklich am 20. durch's Gebirg gegangen.

Seoul — Fazit

Seoul ist — im Gegensatz zu Singapur und Hong Kong — eine echte Flächenstadt. Und das merkt man auch: Die Gebäude hier bleiben meist niedrig und ein richtiges Stadtzentrum oder eine Skyline gibt es nicht.
Die Stadt ist keine Megametropole in dem Sinn, in dem es Hong Kong ist — Seoul ist zwar riesig und dicht bevölkert, aber man fühlt sich hier eher wie in einer ganz normalen Stadt, die eben etwas größer geraten ist.
Gefallen hat es uns hier trotzdem — oder gerade deshalb — sehr gut: Die Stadt lebt, die Einwohner sind, so weit wir das einschätzen können, super nett und wir bekommen gefühlt auch viel von der koreanischen Lebensart mit. Hier wird viel Wert auf gemeinsames Essen (das beste auf unserer Reise so far?) gelegt, an jeder Ecke finden sich Cafés, Restaurants, und kleine Straßenstände, auf die wir uns dank leckerer Pfannkuchen nach jedem Essen freuen.
Außerdem hat Seoul wahnsinnig viel Programm zu bieten: Von Kunstmuseen über Tempel und Paläste bis hin zu großen Parks — wir kommen in unseren 11 Tagen hier nicht mal dazu, einen der vielen Tagesausflüge von Seoul aus zu unternehmen.
Anmerken sollte man vielleicht, dass uns Itaewon, wo wir die ersten Tage verbracht haben, nicht so gut gefällt — hier fühlt man sich zwischen Dönerbuden, Pubs und Ausländern aus allen Himmelsrichtungen nicht mehr wie in Korea — Hongdae ist bei uns deutlich besser angekommen.
Jan und ich sind uns wieder mal einig: Wir fühlen uns wirklich wohl hier und würden sehr gerne wieder kommen — und könnten uns auch vorstellen, hier zu wohnen.
Mir zumindest fällt es dementsprechend schon ein bisschen schwer, heute von Seoul Abschied zu nehmen.

Kommen wir zur dunklen Seite:
Dass die politische Lage in Seoul gerade ziemlich chaotisch ist und sich so mancher Politiker als korrupter als gedacht entpuppt, habt ihr ja in Freedom is not free schon mitbekommen. Das Thema lasse ich deshalb mit der Anmerkung, dass das hier in Korea ein generelles Problem ist (Interessierte können sich mal über die Rolle der mächtigen Chaebol-Familien [ref] hinter Samsung, Hyundai & Kumho Asiana informieren) so stehen.
Während ich mich durch Wikipediaartikel zum Reiseland gegraben habe, bin ich nämlich auf etwas anderes gestoßen: Südkorea hat die zweithöchste Selbstmordrate der Welt — mit Abstand die höchste eines OECD Mitgliedstaates. Gründe sind unter anderem verarmte Senioren, die ihre Familien nicht belasten wollen und Schüler, die 16 Stunden am Tag mit einem der anspruchsvollsten Schulsysteme der Welt beschäftigt sind. Der ganze Artikel ist wirklich lesenswert:

Suicide in South Korea — wikipedia.org

Damit dieser Post nicht in allzu depressiver Stimmung endet hier noch die zwei Dinge, die man in Korea nicht tun sollte:
Es empfiehlt sich, darauf zu verzichten, den Tischgrill mit Essig einzufetten — wie bereits erwähnt geht das oft mit Gelächter und Entzug des Essigs einher. Auch sollte man mit Blick auf die geopolitische Lage keine nordkoreanischen Soldaten anfassen. Oder ihnen winken. Oder mit ihnen reden. Oder auf sie zeigen — steht alles auf dem Zettel, auf dem wir unterschreiben mussten, dass uns niemand garantieren kann, dass in der DMZ nicht in den nächsten 10 Minuten Krieg ausbricht.