Going Somewhere

Der Berg ruft
December 10th 2016

07:47

Auf einer schmalen Schotterstraße irgendwo in der Nähe des Tongariro National Parks — wir sind schon seit fast zwei Stunden wach.

"Ich glaub ich fahre jetzt mal wieder rechts, um hier deutsche Werte zu etablieren."

Gesagt — getan.
Aber fangen wir am Anfang an...

20 Stunden zuvor

Wir sind in Taupo angekommen — einer kleinen Stadt am riesigen Lake Taupo in der Mitte der Nordinsel.
A man and a woman laying on a small concrete pier in a lake enjoying the sun
Lake Taupo
An der Rezeption unseres Hostels werden uns die Huka Falls empfohlen. Wir haben sowieso nichts besseres zu tun und machen uns, in Erwartung eines mittelmäßigen Wasserfalls, auf den Weg.
Nach etwa 1.5 Stunden Fußmarsch bei Regen durch wunderschönen Wald entlang eines Flusses stellt sich dann heraus, dass die Huka Falls doch sehenswerter sind als gedacht.
A foamy, ice blue turbulent river running through thick vegetation to either side
Wasser wie Eis
Unmengen an türkisblauem Wasser stürzen hier in einen etwas tiefer gelegenen See, in dem das Wasser dann fast weiß erscheint.
Es war sehr schön zu sehen, allerdings hätte man, anstatt im Regen dorthin zu laufen, auch mit dem Auto fahren können...
A wild, foamy white river running through a mossy rock channel
Ist mit Hintergrundgeräuschen noch besser
Und weil das noch lange nicht genug Wanderung war, haben wir am nächsten Tag richtig Lust, um 6 Uhr aus den Betten zu springen, schnell in der Hostelküche zu frühstücken und zum Mt. Tongariro zu fahren — heute steht nämlich die Tongariro Alpine Crossing auf dem Programm, die wahrscheinlich schönste Eintageswanderung Neuseelands.
A large, conic black volcano visible in the distance surrounded by white clouds on a blue sky
Mt. Doom lässt grüßen
Ein Shuttlebus bringt uns vom Parkplatz zum Anfang der Wanderung, von wo wir dann, zwar nicht in Horden, aber auch nicht wirklich alleine, dem Berg entgegenlaufen. Das Gelände hier wirkt jetzt schon fast außerirdisch — wohin man blickt nur Vulkangestein, durchbrochen von kleinen Bächen und sehr spärlicher Vegetation.
Panorama of a barren rocky mountain landscape with a hiking person taking pictures
Bergpanorama
Die etwa 20km lange Strecke, für die wir knapp unter 7 Stunden brauchen sollen, führt durch riesige Vulkankrater, über Bergkämme, vorbei an bunten Seen und insgesamt einfach atemberaubender Natur. Ab und an ist Jan sogar so abgelenkt von der Umgebung, dass er vergisst, mich dafür zu verfluchen, diese Wanderung vorgeschlagen zu haben.

Glaubt mir, das war trotzdem nicht selten der Fall.

Von den Stufen des Teufels geht es zum Roten Krater und weiter zum Blauen See — die Namen geben schon einen Eindruck, was einen hier erwartet.
View of a barren, rust-coloured rocky landscape
Mordor
Große Teile der Herr der Ringe Filme sind hier entstanden — und das merkt man auch. Wer auf die Wanderung noch 3-4 Stunden draufpacken will, kann sogar auf den Gipfel des Mt. Doom steigen und ungeliebte Schmuckstücke loswerden...
Two tiny figures standing on a mountain ridge surrounded by white volcanic vapour
Auch hier natürlich: Dampf.
Hier wird uns auch mal wieder klar, wie dünn besiedelt Neuseeland ist: Vom höchsten Punkt des Crossings kann man weit in die Landschaft schauen — sieht aber weder Häuser, noch Städte oder Autos.
A turquoise-green volcanic pool fading to yellow and red at the edges in a barren, rocky landscape
Interessante Wasserfarben...
A man in hiking gear sitting on a large stone photographing a colourful green, red and yellow volcanic lake
... geben ein schönes Fotomotiv ab.
Der schier endlose Abstieg führt uns, ziemlich erschöpft, durch dichten, bemoosten Wald entlang eines Wildbachs, der auch einem Bildband über Neuseeland entsprungen sein könnte.
A ridge in a mountain landscape overgrown with shrubs and tall grass with more mountains and a lake in the distance
Ein Stück über dem Wald

Auf den letzten Metern (Hermann ist schon in Sicht) wird dann auch klar, dass wir unseren Schrittrekord, der noch aus Hong-Kong-Zeiten stammt, heute geknackt haben — mit 37687 Schritten zwar nur knapp, dafür aber umso härter erarbeitet.

Zu den vielen Schritten kamen ja noch viele Höhenmetern dazu, was den Rekord noch mehr aufwertet. Und bitte nicht lachen, aber ich habe die erste ernstzunehmende Wanderung meines Lebens hinter mich gebracht. Morgen habe ich nicht die Absicht, mich aus dem Bett zu bewegen, aber das muss ich vielleicht auch gar nicht.

Zum etwa 700m entfernten Abendessen wird dann natürlich das Auto genommen — Alles andere sieht Jan gar nicht ein.

Oktoberfest

Ich komme vom Essen zurück (Jan kauft noch im Supermarkt Schokolade) und stoße im Außenbereich unseres Hostels völlig unvorbereitet auf den wahrscheinlich größten Kulturschock dieser Reise: Hier ist praktisch Oktoberfest.
Der Bierkonsum hält sich zwar in Grenzen, aber hier wird ausschließlich Deutsch gesprochen — am anderen Ende der Welt. Ich wünsche mich kurz auf die unbeleuchtete Baustelle mitten im Nirgendwo Chinas zurück und überlege, wie die neuseeländische Wirtschaft überhaupt alle deutschen Work-and-Traveller verkraften kann...

Die zumindest teilweise deutsche Gruppe mit der wir beim Essen einen Tisch teilen, können wir immerhin mit unseren fast muttersprachlichen Koreanischkenntnissen täuschen: 가자! — 그래. ('Lass uns gehen!' — 'Alles klar.')

Update: Freedom is not free

Bei uns sind das gerade Breaking News, die gut informierten von euch haben es wahrscheinlich schon mitbekommen: Unser Protest in Korea war erfolgreich (Ja, ich gehe davon aus, dass unsere Teilnahme ausschlaggebend war.): Vor wenigen Stunden ist die Präsidentin Park Geun Hye vom Parlament entmachtet worden — jetzt muss nur noch das Verfassungsgericht zustimmen.