Kreuzzug nach Christchurch
11:30 — Im Salon
(Hört sich hochklassiger an, wenn man den Raum Salon nennt, oder? Passt auf jeden Fall zum Altbaustil.) Das kostenlose Frühstück haben wir um gut 1.5 Stunden verschlafen, zum Glück haben wir noch Toasts und Croissants auf Vorrat.
Der Spanier, der hier übrigens auf ein Motorradersatzteil wartet, spielt anscheinend fast 24/7 Klavier.
Da heute keiner von uns Lust hat, lange Auto zu fahren, beschließen wir, Greymouth auf dem Fahrrad zu erkunden. Die Bergbaustadt, die ihre Geschichte pointiert mit "Come for the Gold, stay for the Coal" zusammenfasst, verbreitet auch die passende Atmosphäre einer ostdeutschen Kleinstadt. (Vor allem die Einwohner sehen so aus)
Groß ist Greymouth, die größte Stadt hier, die gut 30% der Bevölkerung der Westküste beheimatet, mit ihren 9750 Einwohnern trotz Bergbauindustrie nicht wirklich. Gerade im Vergleich zu den 10 Millionenstädten, die wir aus Asien gewohnt sind, wirkt die Gegend hier recht ländlich...
Das ist sehr milde ausgerückt; es gibt hier wirklich gar nichts. Wir fragen uns, wie das Leben für die Menschen hier wohl ist, mitten im Nirgendwo und ca. 4 Stunden Autofahrt von einer größeren Stadt entfernt.
Wir fahren ein Stück an einem Fluss entlang bis wir auf's Meer stoßen — was bei starkem Wellengang und Nieselregen ziemlich beeindruckend aussieht. Der Horizont hebt sich kaum vom Wasser ab, und mit Treibholz und dunkelgrauem Steinstrand wirkt wirkt die ganze Szene sehr schwarzweiß.
Nach Sommer fühlt sich das Wetter, das anscheinend typisch für die Region ist, auf jeden Fall nicht an.
Nach langen, recht planlosen Überlegungen im Supermarkt wird zum Abendessen dann Hühnchen mit Tiefkühlpommes serviert — einer von drei Öfen in der Küche hat tatsächlich funktioniert.
Wenigstens mal etwas anderes als Nudeln mit Pesto...
State Highway 73, nahe Greymouth
"Dem Straßenverlauf von State Highway Dreiundsiebzigtausendeinhunderteinundsiebzig Kilometer folgen"
Ok. Die Ankunft in Christchurch kann sich dann wohl noch etwas verzögern...
Der Weg nach Christchurch, der dann doch nicht ganz so lang ist, wie das Navi verkündet, führt über den wunderschönen Arthur's Pass vorbei an Seen, Bergen, Wasserfällen und außerirdisch wirkenden Felsformationen. Auf jeder Brücke, die wir überqueren, finden wir neue, atemberaubende Ausblicke — leider kann man nicht alle zehn Meter Pause machen.
Laut Navi sind es noch fünf Kilometer bis zum Stadtzentrum — In Seoul wären wir schon lange im Stadtkern, hier sehen wir nur sehr vereinzelt Häuser am Straßenrand und ein Schild mitten im Nirgendwo, das uns in Christchurch willkommen heißt. Wir folgen den Schildern zum 'Historic Jail' und stoßen schließlich auf unser Hostel — im alten Gefängnisgebäude inklusive Isolationszelle und Gitterfenster. Das Angebot, Polizeifotos mit 'Guilty' Schild zu machen, nehmen wir vorerst nicht wahr.
Anschließend wandern wir noch eine gute Stunde wie ausgehungerte Zombies auf der Suche nach einer Innenstadt und Essen durch die Gegend. Wo genau die Innenstadt ist, soll uns für heute noch verborgen bleiben, aber immerhin finden wir kurz vor dem Hungertod ein japanisches Restaurant.
Etwas billigeres zu suchen war aufgrund von Hunger leider nicht mehr möglich.