Life on the Streets
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Zum Frühstück gibt's heute warme Sojamilch mit frittiertem Teig und... nicht näher definierbarem Zeug. Anschließend machen wir uns auf zur Yongkang Street, einer wunderschönen Gegend voller stylischer Cafés und kleiner Läden.
Der Tee (Sun and Moon Lake Ruby Tea, klingt zumindest sehr edel) bzw. Kaffee in dem Café, in dem wir Pause einlegen, kostet uns etwa das dreifache unseres Frühstücks, aber dafür ist es echt hübsch hier.
Eine Ecke weiter betreten wir einen Keramikladen mit Teekannen im Schaufenster. Eine ältere Frau steht auf einem Hocker im hinteren Teil des Ladens und macht sich an einer Lampe zu schaffen. 'Busy', sagt sie entschuldigend und lächelt. Wir schauen uns derweil die verschiedenen Teeservice an. Einen Moment später steigt sie vom Hocker und bringt uns etwas Alishan Almond Tea zum Probieren vorbei. Ich kratze mein ganzes Chinesisch zusammen und erkläre, dass wir nächste Woche auch selbst Alishan besuchen, worauf sie uns begeistert mitteilt, dass wir unbedingt den Tee dort probieren müssen. Wir unterhalten uns noch kurz über Taiwan und versprechen, am Ende unserer Reise nochmal vorbeizuschauen (ihr Englisch ist mindestens drei Größenordnungen besser als mein Chinesisch, aber hey, at least I tried).
Falls also jemand Interesse an fancy Teegeschirr hat... lasst uns es wissen.*
*Bin ich damit jetzt richtiger Influencer? War der Blog besser als wir noch nicht unsere Seele verkauft haben? Let us know in the comments.
Anschließend machen wir uns auf den Weg zum Märtyrerschrein, dem Gedenkort für die Toten im Sino-japanischen Krieg, sowie der Revolution. Knapp 400.000 Namen sind hier auf Steintafeln eingraviert.
Wir kommen gerade rechtzeitig zur stündlichen Wachablösung an, die in mir fast etwas taiwanischen Patriotismus regt. Nachdem wir noch die Reisegruppen aus Korea und Japan gründlichst analysiert haben, brechen wir auch schon wieder auf.
Vom Märtyrerschrein aus wollen wir über einen Wanderweg, der direkt um die Ecke loszugehen scheint, zurück zur Metro laufen. Ein Stück die Straße entlang stoßen wir auf drei Soldaten mit Sturmgewehr, die das Tor bewachen, hinter dem sich laut Google der Weg befindet. Als wir uns bis auf etwa fünf Meter annähern, hebt einer der drei die Hand zu einer 'Stop'-Geste. Die darauf folgende Unterhaltung wird hier von mir übersetzt wiedergegeben:
"Hallo! Wir wollen gehen da." (zeigt auf Karte) — "[unverständlich] nicht gehen [unverständlich]" — "Ah, verstehe verstehe" — (zeigt großen Bogen auf Karte) — "Ah, danke, tschüss"
Also wohl eher kein Wanderweg für uns.
Wenn man so durch die Straßen Taipeis läuft, wird einem früher oder später eins auffallen: Die Müllabfuhr funktioniert hier irgendwie anders.
Abends fahren niedliche kleine Müllautos durch die Stadt, immer gefolgt von einem Recycling-Pickup, der über Lautsprecher eine Erkennungsmelodie spielt ('Für Elise' soll dabei sein, haben wir aber noch nicht gehört). An den Kreuzungen sammeln sich daraufhin die Anwohner mit ihren blauen Restmülltüten und Eimern mit Papier, Plastik, etc. — Restmüll kostet, Recycling ist gratis und wird direkt auf dem Pickup einsortiert.
Diejenigen, für die das nach einem interessanten Thema für einen 20 minütigen Podcast klingt, seien auf 99% Invisible - Separation Anxiety verwiesen.
Zum Abschluss des Tages landen wir auf dem Raohe Night Market mit seinem berühmten Eingangstor. Es wimmelt von leckeren Essensständen (ab und an durchbrochen von Stinky Tofu in verschiedenen Variationen), aber wir haben leider gerade erst zu Mittag gegessen und wirklich gar keinen Hunger.
Zwei pork buns, einen Kartoffelspieß und zwei Eigelb-donut-holes später sind wir wieder zu hause in Ximending.
Die Liste an streetfood-snacks, die ich probieren will, wird täglich abgearbeitet — es fehlen noch ein paar Dinge, aber auch in den anderen Stationen unserer Reise wird es bestimmt noch Möglichkeiten geben.
Stories We Tell To Scare Our Selves With
Hat die Überschrift irgendetwas mit dem Inhalt dieses Abschnitts zu tun? Kaum.
Aber ich fand den Titel der Ausstellung, die wir heute im Museum of Contemporary Art besucht haben, einfach zu gut, um ihn nicht zu erwähnen. Der chinesische Titel ist 'ugly'* — wo die Verbindung besteht, bleibt mir schleierhaft.
*Update: Die korrekte wörtliche Übersetzung ist eher 'dark ghost'
日本好不好?
Japan ist ja bekanntlich das Deutschland Asiens — niemand mag es so wirklich. Viele Koreaner und Chinesen können den Japanern die Schreckensherrschaft der Kolonialzeit, sowie des 2. Weltkrieges nicht verzeihen, gerade da Japan seine Untaten oft nichtmals anerkennt. In Taiwan aber fallen uns erstaunlich viele Japan-affine Werbungen auf, die uns zunächst verwundern. In Korea sahen wir beispielsweise in der Bahn Propagandafilme, die Japans Ansprüche auf bestimmte Inseln diskreditieren sollten. Bei weiterer Internetrecherche erfahren wir, dass Taiwan sogar positiv gegenüber Japan eingestellt ist. Taiwan war Japans erste Kolonie — man wollte hier ein positives Beispiel schaffen. Auch haben viele Taiwaner die Revolution in keiner guten Erinnerung, weswegen die Zeit unter japanischer Besatzung in der Geschichtswahrnehmung als Blütezeit gilt.
Im Stadtbild sind uns schon öfter die Autowerkstätten aufgefallen, die im Erdgeschoss von Wohnhäusern gerade so Platz für einen Kleinwagen haben. Zufällig (der 'möglichst kleine Straßen nehmen'-Taktik sei Dank) landen wir heute in einer Straße, die sich komplett auf Autoreparatur spezialisiert hat — in manchen Werkstätten stehen Taxis, in anderen Geschäften stapeln sich komplette ausgebaute Motoren bis unter die Decke. Es scheint, als gäbe es hier für jedes Teil, das Reparatur brauchen könnte, einen eigenen spezialisierten Laden.
Zwischendrin nutzen zwei Fotografen auf Hoverboards die industrielle Kulisse für Modeshots — auch nicht schlecht.
Damper Baby
Warum genau muss man eigentlich immer, wenn man auf irgendwas hohes drauf will, vorher in der Schlange ein schlechtes Greenscreen-Foto machen?
Wir kopieren die Pose der übermotivierten Asiaten auf dem Werbefoto (das Bild ist echt ganz gut geworden) und dürfen anschließend auch mit dem Aufzug hoch auf's Taipei 101. Neben dem Standard-Rundumblick kann man hier auch den größten passiven Schwingungsdämpfer der Welt (glaube ich, don't quote me on this) bewundern — inklusive seines Maskottchens, dem 'Damper Baby', natürlich. Bonuspunkte außerdem für eine echte Außenplattform ohne meinen Erzfeind, den reflektierenden Glasscheiben.