Ein Tag Estland
Auf See zwischen Helsinki und Tallinn
Drei Finnen in Lederhosen und Filzhüten bilden die Hausband der Finlandia und verbreiten Oktoberfestfeeling auf der Überfahrt nach Tallinn — Ein Prosit, Neunundneunzig Luftballons und weiteres deutsches Kulturgut. Der Cruise Manager läuft dabei durch's Publikum und schüttelt seine Rassel im Takt — "And now a round of applause for our cruise manager Mikko shaking his banana!".
Ein Tag Estland
Frisch von der Fähre machen wir uns zum Abendessen auf in das Telliskivi Viertel, was geradezu lächerlich trendy ist: Alte Industrieanlagen, besprayte Backsteinmauern, ein zeitgenössisches Fotografiemuseum, geöffnet bis ein Uhr nachts.
Hinter mit Stickern bedeckten Toren verstecken sich in alten Maschinenhallen und ausrangierten Zügen spärlich beleuchtete Restaurants, auf den Tischen Avocado, Quinoa, Falafel, Hummus, Fritz Cola, Club Mate und vegane Kuchen.
Am nächsten Morgen drehen wir eine weite Runde von unserer Wohnung in Richtung Altstadt durch ein paar Wohnviertel.
Nach einem Rundgang durch die Altstadt, unumstrittenes Touristen-Highlight Tallinns, flüchten wir vor dem einsetzenden Regen in einen Buchladen und fragen uns, wie so viele Bücher für ein Publikum von etwa 1.3 Millionen auf Estnisch übersetzt werden.
Fazit Tallinn
Halte ich mich für qualifiziert, nach etwas mehr als 24 Stunden Tallinn zu bewerten? Absolut nicht. Aber hier ist mein Versuch:
Im Kern ist Tallinn sehr klein — klein genug, um zu Fuß im Prinzip überall hin zu kommen. Die Altstadt ist mit ihren pastellfarbenen Häusern und spitzen roten Dächern sehr hübsch, aber sie ist auch unglaublich touristisch und wirkt auf mich etwas steril.
Fast interessanter ist die Gegend, die auf unserem Weg in die Altstadt liegt — die Häuser hier haben ein ähnliches Farbschema, sind aber aus verwittertem Holz — weniger glatt und mehr gritty. Außerdem läuft man nicht ständig an Bernstein- oder Souvenirläden vorbei, aber ich schätze das ist Geschmackssache.
Das Szeneviertel ist definitiv cool, vielleicht an der Grenze zu tryhard-cool, aber trotzdem cool.
Statt Hei sagt man hier Tere, was nicht ganz so cool, aber trotzdem noch okay ist — man hat den Eindruck, dass die Menschen etwas schüchterner werden, was vielleicht daran liegt, dass sie sich ihres (guten) Englischs nicht mehr so sicher sind wie die Finnen.
Um also auf den Punkt zu kommen: Lauft ein bisschen schneller durch die Altstadt, esst in einem alten Zugabteil zu Abend, schaut euch hier und da Kunst an — you're gonna have a good time.