Geisterstunde
Nachtrag: Ximending at Night
Der Vollständigkeit halber hier noch ein paar Bilder aus Taipei, die es nicht mehr vor Redaktionsschluss in den letzten Blogpost geschafft haben — enjoy:
After the Quake
Wie fühlt sich eigentlich eine persönliche Niederlage an? Vielleicht so, dass man in Taiwan unbedingt mal ein (moderates) Erdbeben erleben wollte, dann auch eines stattfindet, nur leider auf der falschen Seite der Insel?
Zumindest so habe ich mich heute gefühlt, als ich die Schlagzeile "Earthquake rocks whole Island of Taiwan" gelesen habe, ca. 20 Minuten nachdem es passiert ist. Das Beben hatte eine Stärke von 5.4, es gab keine Verlezten oder zerstörte Gebäude. Wir waren dabei wohl gerade beim Bäcker und haben uns unser Frühstück gekauft. Es war aNgEBliCh auch in Taipei spürbar. Aber es gibt ja auch in den nächsten eineinhalb Wochen noch die Chance...
Taiwan ist nämlich wie Japan Teil des pazifischen Feuerrings und damit der ständigen Gefahr von Erdstößen ausgesetzt, welche auch regelmäßig Taiwan treffen. Alleine dieses Jahr gab es schon 5 Erdbeben, die deutlich spürbar waren (inkl. dem heute — arghh).
Gefühlte 90% unseres Internetverbrauchs gehen für Erdbebenapps, Erdbebenvideos, Erdbebenkarten und Erdbebenartikel drauf.
Vielleicht sollte ich doch mein Studium abbrechen und Geologie studieren?
How to get to Jiufen — A 2 Step Travel Guide
1. Take the Taipei MRT to Songshan station
2. Follow the first foreigner you see until you inevitably end up 40km away in Jiufen
Jiufen ist eigentlich eine kleine Bergbaustadt, die in der japanischen Kolonialzeit um die örtlichen Goldminen entstand — aber spätestens seit Chihiros Reise ins Zauberland hat sich die Jiufen Old Street in einen Touristenmagneten verwandelt, der neben Reisegruppen aus Taiwan, Korea, Japan und China auch das übliche Backpackerpublikum anzieht.
Dreihundertmillionen Stufen
Da die Hauptattraktionen von Jiufen ihren Charme erst bei Dämmerung so richtig entfalten, suchen wir uns bis zum Sonnenuntergang noch eine Alternativbeschäftigung.
Auf Berge steigen klingt eigentlich immer gut, und der Gipfel von Keelung Mountain (quasi der Mount Everest Nordtaiwans) ist laut Google Maps gerade mal dreißig Minuten von unserer Unterkunft entfernt.
Trotz der mindestens 'dreihundertmillionen' Stufen auf dem Weg zum Gipfel und der Familie vor uns, die auf etwa drei vierteln des Weges abbrechen muss (Sauerstoffmangel?), schaffen wir es nur zehn Minuten über der Zeit ganz nach oben, wo wir uns bei schöner Aussicht einen Moment Pause gönnen.
Auf dem Rückweg werden wir von zwei übermotiviert hüpfenden Mönchen in Sandalen überholt, die uns im Vorbeirennen noch schnell ein 'Hello' zurufen.
Spirited Away
Die berühmte Old Street schlängelt sich durch den Ort, auf ganzer Länge gesäumt von roten Laternen, Essen und Studio Ghibli Merch. Ein bisschen wirkt das ganze tatsächlich wie in den Anfangsszenen von Chihiros Reise — nur, dass hier statt Geisterwesen Koreanische Reisegruppen (ähnlich bleich im Gesicht?) von Stand zu Stand pendeln.
Vor dem berühmten Teehaus-Blick hat es sich ein Mann zum Hobby gemacht, seine Noface Plüschpuppe auf dem Geländer für die zahllosen Fotografierenden posieren zu lassen und freut sich jedes Mal, wenn jemandem ein besonders gutes Bild gelingt.
Wenn es dunkel wird in Jiufen trennt sich die Spreu (u. A. Jan) vom Weizen: Die Menschenmassen, die noch vor ein paar Stunden durch die Old Street geströmt sind, machen Platz für die, die mit drei Stativen, Objektiven und Kameras angereist sind, um ihre perfekt geplanten Instagram-Shots in rot beleuchteten, menschenleeren Straßen zu machen.
Aber verübeln kann man es ihnen nicht: Im Licht der Laternen haben die Gassen wirklich eine magische Atmosphäre. Wenn man schon mal über Nacht hier ist, sollte man sich das nicht entgehen lassen (*hust* Jan *hust*).
Ich würde mich ja jetzt gerne verteidigen, aber ich fürchte, dass Nils ausnahmsweise Recht hat. Die letzten Tage mit viel Laufen haben auch bei mir Spuren hinterlassen, die mich abends erschöpft ins Bett fallen lassen.
Als persönliches Fazit zu Jiufen würde ich sagen, dass dieses kleine Dorf als Tagesausflug von Taipei wunderbar geeignet ist, wenn man chinesisches Ambiente mit Natur und Aussicht verbinden will.
Dennoch sind die Reisegruppen sehr nervig, genauso wie die Ladenverkäufer, die entweder den ganzen Tag auf ihrer Piccoloflöte Lieder spielen (und jeder, der mich kennt, weiß, wie sehr ich Piccoloflöten liebe) oder Sachen zum "best price" verkaufen wollen. Aber mit den Sehenswürdigkeiten kommen nunmal auch die Touristen und eben jene, die mit ihnen ihr Geschäft machen.