Wenige Kilometer Hinter Bratislava

October 10th 2021

Bratislava

Im Brixton House läuft classic Hip Hop, die unverputzten Wände sind besprayt und man serviert Vegan Korean Cauliflower Wings und Burrito Bowls. Als professioneller Blogger fühle ich mich direkt sehr willkommen, da am Tisch nebenan auch die Crème de la Crème der Slowakischen Influencer sitzt, eine Stunde lang jeden Drink ausführlich in Insta-Stories zelebriert während der Rest der Tischgesellschaft (Freunde? Manager? who knows) so daneben herumsitzt.

Einer der an der Wand hängenden bunt bekritzelten Spiegel verkündet:

suck this dick drunk boy & don't rape cute girls pls

Die scheinbare Lücke im Argument wird einen Spiegel weiter auch gleich behoben:

all of you are cute girls ❤

Auf dem Weg nach Hause schallt aus einer Karaoke Bar der Refrain des "Lesbian and Gay Song", der nur aus exakt dieser einen Zeile zu bestehen scheint.

Bisschen Vorurteile abbauen — gehört auch immer dazu.
Außerhalb von Bratislava geht's dann erstmal ans Wandern. Am Fuß des Chopok ist es noch sommerlich warm, auf 2024 Metern höhe hat's dann auf einmal -1°C bei Wind, der uns fast vom Bergkamm in den Abgrund bläst und einer Sichtweite von vielleicht zehn Metern. Von der Berglandschaft sieht man zwar nichts, dafür gibt's hier oben aber ganz nette Endzeitstimmung. Hat auch was.

Woman steals cheese; mauled by local wildlife

Google Maps führt uns über stockdunkle Landstraßen in eine Koliba die mein Vater sich ausgeguckt hat. Licht brennt zwar, dafür sieht es hier trotzdem recht verlassen aus. Ein verwaistes Jazz-Band setup steht in der Ecke, auf einem der Holzbalken in der Decke steht, ohne erkennbaren Kontext, "Elon Musk: Our artificial intelligence will not get us". Wir sind die einzigen hier, wie so oft in der ländlichen Slovakei.

Dafür serviert man dann Portionen, mit denen man den ganzen Speisesaal mit durchfüttern könnte. Romy schaut sich diebisch um und lässt einen frittierten Käse von ihrem Teller in der Jackentasche verschwinden.

Auf dem Heimweg über dunkle Straßen versperrt uns dann ein Fuchs den Weg — wir verharren, er verharrt. Zwei Augen leuchten aus dem Dunkeln, mustern uns — argwöhnisch?
Ein paar Augenblicke schauen wir uns so gegenseitig an, dann trabt er zur Seite, legt sich in den Schutz einer Hütte am Straßenrand und beobachtet, wie wir vorbeigehen.

Up the river

Für unsere dritte und vorerst letzte Wanderung geht es das Flussbett einer Schlucht hinauf — mal über Leitern und Stahltritte, mal über nur leicht angefaulte Holzstege. Für noch mehr Nervenkitzel steht, wenn man den Schildern glauben schenkt, nur die kostenlose Testversion einer Ultraschall-Bären-Glocken-App zwischen uns und einer Horde aggressiver Braunbären.
Es ist ein sehr ursprüngliches Gefühl, dieses auf Dinge hochklettern und über Flüsse balancieren und sich durch Felsspalten zwängen — fühlt sich gut an. Ein bisschen als wären wir auf dem Weg zu einer versteckten Bergfestung in einem Abenteuerfilm.